Kennzeichenscanning, Teil 2, Folge 1

Letzten Montag, 17. Oktober 2011, war die Verhandlung meiner Klage vor dem bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München, nun schon in zweiter Instanz.

Zuerst einmal: Vielen Dank an alle Spender, die das möglich gemacht haben!

Das mediale Interesse im Vorfeld war eher moderat, inzwischen fängt die Sache aber an, zu fliegen. Die Abendzeitung München berichtete gestern über die Aktion, und prompt steht das Fernsehen auf der Matte.

Vermutlich ist der Wirbel um den Staatstrojaner für die erhöhte Aufmerksamkeit nicht ganz unschuldig.

Noch ist aber nichts im Kasten, deshalb möchte ich noch nicht zu viel verraten.

Jetzt erst einmal ein paar

Fakten aus der Verhandlung


Das Gericht hat diese erst einmal vertagt. Erst einige Tage vor der Verhandlung ging uns und dem Innenministerium ein 32-teiliger Fragenkatalog des Senats zu dem Thema zu, in dem das Innenministerium bzw. die Polizei recht detailiert zu dem ganzen Sachverhalt Sstellung nehmen muß.

Selbst in dem 4,5h Verhandlungsmarathon konnte nicht alles umfassend geklärt werden, trotz 4 anwesender Mitarbeiter der Polizei und des Ministeriums plus Anwältin.

Wir warten also auf deren schriftliche Stellungnahme, für die sie 6 Wochen Zeit haben, anschließend haben wir nochmal 2 Monate Zeit für eine Antwort, danach will der Senat evtl. eine weitere mündliche Verhandlung ansetzen, u.U. mit dem bayerischen Datenschutzbeauftragten Thomas Petri.

Bei den Fragen des Senats mußten die Beamten doch deutlich weiter die Hosen herunterlassen, als sie es gerne getan hätten, das überhebliche Lächeln aus der ersten Verhandlung 2009 war dementsprechend nicht mehr in den Gesichtern zu erkennen.

Soweit, den Staatsbeamten eine aktuelle Liste der Standorte der Erfassungsgeräte abzunötigen, ging das Gericht nun allerdings leider doch nicht.

Ich fasse hier mal meine

Erkenntnisse über die Erfassungsgeräte

zusammen:

Es gibt momentan 25 AKEs (Automatische Kennzeichen Erkennungssysteme) oder auch AKLS (Automatische Kennzeichen Lese Systeme), davon sind 3 mobile Geräte.
Höchstvermutlich sind alle Systeme von der Firma Vitronic aus Wiesbaden.

Die mobilen Geräte sehen in etwa aus, wie ein normales Geschwindigkeitsmessgerät (Blitzgerät), können zwei Fahrspuren auf einmal überwachen und wurden im letzten Jahr zweimal eingesetzt. (Wir konnten ein Photo davon sehen.)

Die restlichen 22 Anlagen sind fest montiert, einige von denen waren früher auch mobil und stammen offenbar aus dem früheren Pilotprojekt an den Grenzübergängen, das aufgrund fehlender nötiger Gesetze eingestellt wurde.

Auch die ex-mobilen Geräte überwachen zwei Spuren, die original festen jeweils nur eine, deshalb ergeben sich folgende Zahlen: Es gibt 22 fest installierte AKEs, die 30 Fahrspuren auf 12 Standorten überwachen.

Die fest installierten Anlagen laufen 24/7 durch, sie nehmen die Fahrzeuge von hinten auf und sind auf bayerischen Autobahnen und einer Europastraße auf Schilderbrücken montiert.

Die Erkennung wird durch eine Laserschranke ausgelöst. Die AKEs arbeiten mit einem Videobild im Infrarotbereich, das verstärkt wird durch einen Infrarotblitz, der entsprechend für menschliche Augen nicht sichtbar ist.

Wir konnten ein solches Bild sehen, es ist schwarz/weiß, hat einen sehr hohen Kontrast, das Kennzeichen ist, v.a. auch bedingt durch die Reflexfolierung vieler Kennzeichentafeln recht deutlich zu erkennen, Rückleuchten kann man erkennen, den Rest des Fahrzeugs dagegen kaum.

Am Fahrbahnrand stehen „Betonkästen“ die einen Rechner enthalten, auf dem eine Datenbank läuft, die sämtliche aktuell zur Fahndung ausgeschriebenen Kennzeichen enthält. Gegen diese Datenbank wird ein erkanntes Kennzeichen abgeglichen, und wenn ein vermutlicher „Treffer“ vorhanden ist (Treffer ist nicht gleich Treffer, dazu später mehr), dort eingetragen und an die Verkehrsleitstelle übermittelt. Bei den mobilen Anlagen wird das stattdessen auf einem Laptop im Einsatzfahrzeug gemacht.

Der Rechner am Fahrbahnrand wird regelmäßig aktualisiert, mit einem Extrakt aus INPOL und SIS, allerdings ohne die Fahndungen nach dem Pflichtversicherungsgesetz.

Alle, die Ihre KfZ Versicherung nicht bezahlt haben, können also aufatmen. 🙂

Laut Aussagen der Ministerialbeamten enthält dieser Extrakt nur die Kennzeichen, keine weiteren Daten wie z.B. Fahndungsgrund.

Die Datenanbdingung ist teilweise kabelgebunden, teilweise via UMTS.

Fußballfans aufgepasst! Bei besonderen Anlässen können zusätzliche Fahndungsdaten eingespielt werden, insbesondere der Begriff „Datei Gewalttäter Sport“ fiel in diesem Zusammenhang. Wobei zeitnah die aktuellen Zulassungsnummern der Fahrzeuge der Delinquenten ermittelt werden.

Globalisierungsgegnern dürfte vermutlich eine ähnliche Behandlung zuteil werden.

Nachdem das Ministerium in letzter Zeit mehrere parlamentarische Anfragen zu statistischen Daten bekommen hat, wurde die Software im Juli um eine statistische Zählung erweitert. Aus den Monaten Juli, August und September 2011 ergeben sich demnach folgende Zahlen:

  • 8 Mio. überprüfte Fahrzeuge pro Monat
  • 40.000 – 50.000 vom System vermutete Treffer / Monat
  • 500 – 600 echte Treffer / Monat
  • 30 – 35 sichergestellte Fahrzeuge / Monat

Treffer nicht gleich Treffer

Da das Erkennungssystem keinerlei Semantik kennt, also ausländische von inländischen Nummern nicht unterscheiden kann und ebenso durch das SIS mit Fahndungen vieler verschiedener Länder abgeglichen wird, ergeben sich vergleichsweise viele falsche Treffer („False Positives“).

Die Beamten in der Leitstelle haben dementsprechend viel zu tun, zu überprüfen, ob es nun wirklich ein echter Treffer ist.

Mehr zum Ablauf in der Leitstelle und zur verwendeten Software dann bald im nächsten Artikel!